Künstliche Intelligenz ist in der Bildungsbranche angekommen - und verändert, wie Studierende lernen, wie Dozierende unterrichten und wie Institutionen wie die ibW Höhere Fachschule Südostschweiz Wissen vermitteln. Zwischen Effizienzgewinn, Datenschutzfragen und neuen didaktischen Konzepten zeigt sich: KI ist zugleich Werkzeug, Herausforderung und Prüfstein für die Erwachsenenbildung.
Noch vor wenigen Jahren war Künstliche Intelligenz ein abstrakter Begriff aus der Forschung. Heute prägt sie den Alltag von Unternehmen, Verwaltung - und auch die Weiterbildung. Chatbots schreiben Texte, Bildgeneratoren gestalten Präsentationen, Sprachanalysen liefern individuelles Feedback. Für eine Institution wie die ibW Höhere Fachschule Südostschweiz als eine der grössten Erwachsenenschulen der Region bedeutet dies tiefgreifende Veränderungen.
«Künstliche Intelligenz beschäftigt uns täglich, sei es im Unterricht, im individuellen Lernen der Studierenden oder bei der Entwicklung neuer Lehrmaterialien», sagt Cla Tschenett, Leiter des Blended Learning Centers, wo digitale Lernformate hergestellt werden. Er hebt hervor, dass KI längst nicht mehr nur der schnellen Recherche dient, sondern aktiv neue Lernformen ermöglicht - von Podcasts bis zu Visualisierungen, die passgenau auf Inhalte zugeschnitten sind.
Studierende: neugierig, aber herausgefordert
Die Studierenden der ibW setzen KI heute breit ein. Von der Zusammenfassung von Lektionen über Hilfen beim Verfassen von Projektarbeiten bis hin zu kreativen Anwendungen im Design oder bei Präsentationen - die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Gian-Marco Bianchi, Dozent für digitale Transformation, beobachtet: «Die Studierenden nutzen Künstliche Intelligenz in fast jedem Bereich ihres Alltags. Die Anwendung reicht von der Zusammenfassung von Lektionen, über Lernhilfen und Erklärhilfen in Form von persönlichen Assistenten bis hin zur Arbeitserleichterung beim Verfassen von Arbeiten.»
Damit wächst aber auch die Verantwortung. Die Schule verlangt, dass KI-Einsätze deklariert werden - so wie andere Quellen auch. Ziel ist nicht ein Verbot, sondern die Förderung einer kritischen Auseinandersetzung. «Wir möchten die Studierenden befähigen, die Ergebnisse von KI kritisch zu prüfen und mit ihren eigenen Erfahrungen zu verbinden, anstatt sie unreflektiert zu übernehmen», betont Tschenett.
Dozierende: KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
Auch Dozierende werden ermutigt, KI gezielt einzusetzen. In der Unterrichtsvorbereitung, beim Strukturieren von Stoff oder beim Formulieren von Aufgaben bietet sie wertvolle Unterstützung. Fabio Aresu, Projektleiter für ein ibW-weites KI-Framework, erklärt: «KI ist für uns kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug zur Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung. Wir nutzen sie gezielt dort, wo sie Dozierenden mehr Zeit für die eigentliche pädagogische Arbeit verschafft – immer mit dem Fokus, bessere Lernergebnisse zu erzielen.»
Beim Thema Leistungsbeurteilung liegen die Dinge komplexer. Korrekturen oder Feedbacks können von KI vorbereitet, aber nicht ersetzt werden. Datenschutz und Glaubwürdigkeit setzen klare Grenzen. «Die finale Beurteilung bleibt immer bei den Dozierenden», so Aresu. Ergänzend setzt die ibW zunehmend auf mündliche Prüfungen, Reflexionsberichte und Aufgaben, die Problemlösungskompetenzen erfordern - Bereiche, in denen KI nicht ohne weiteres einspringen kann.
Datenschutz, Glaubwürdigkeit und Image
Ein sensibles Feld ist der Datenschutz. Personendaten und Prüfungsunterlagen dürfen nicht unbedacht in öffentliche Systeme geladen werden. Aresu: «Wir arbeiten mit Anbietern mit hohen Datenschutzstandards und prüfen den Einsatz von KI auf DSGVO-Konformität.»
Ebenso wichtig ist die Glaubwürdigkeit: Studierende investieren viel in ihre Weiterbildung und erwarten Qualität. «Wir wollen nicht, dass die Studierenden das Gefühl haben, sie bezahlen für ein Programm statt für echte Betreuung», betont Tschenett. Deshalb bleibt menschliches Urteilsvermögen unverzichtbar - KI unterstützt, aber ersetzt nicht die menschliche Kompetenz.
Bianchi formuliert es pointiert: «Wenn ich eine Aufgabe nur noch lösen kann, weil die KI sie für mich erledigt, und ich den Kern nicht mehr verstehe, bin ich zu weit gegangen.» Für ihn liegt die Grenze dort, wo Automatisierung den Lernprozess untergräbt.
Praxis und Nachfrage
Unternehmen erwarten von Fachkräften zunehmend Kompetenzen im Umgang mit KI. Die Nachfrage nach praxisnaher Ausbildung steigt, wie alle drei Experten übereinstimmend betonen. «Die Nachfrage steigt exponentiell, aber Unternehmen suchen keine KI-Spezialisten, sondern Fachkräfte, die KI strategisch in ihrem Arbeitsbereich einsetzen können. Gefragt sind kritisches Denken, Qualitätskontrolle von KI-Ausgaben und die Fähigkeit, KI-Tools effizient für spezifische Aufgaben zu nutzen», fasst Aresu zusammen.
Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Lehrgänge: Fachkräfte sollen lernen, KI als «Sparringpartner» zu nutzen, dabei aber die eigene Expertise und Kreativität in den Vordergrund zu stellen. Auch Führungskräfte müssen künftig in der Lage sein, KI-Strategien zu entwickeln und ihre Teams im verantwortungsvollen Einsatz anzuleiten.
Ausblick: Vom Pilotprojekt zur Strategie
Für die ibW ist klar: KI wird die Weiterbildung nachhaltig verändern. Schon heute laufen Pilotprojekte, Guidelines werden erarbeitet, Dozierende geschult. Ziel ist ein umfassendes Framework, das sowohl technische als auch pädagogische Fragen berücksichtigt.
«In Zukunft wird KI noch wichtiger werden. Sie eröffnet neue Möglichkeiten, Prozesse im Unterricht zu vereinfachen und Lerninhalte auf die Bedürfnisse der Studierenden zuzuschneiden», so Tschenett. Dabei verändere sich auch die Rolle der Lehrenden: Weg vom reinen Wissensvermittler, hin zum Coach, der seine Praxiserfahrung einbringt und die Studierenden beim Umgang mit KI begleitet.
Bianchi sieht die nächsten Jahre als Prüfstein: «Es wird eine Herausforderung sein, die Lehre und die Leistungsmessung an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Sprich, es wird nicht mehr in jedem Bereich sinnvoll sein, reines Wissen abzufragen, sondern es wird sich stärker auf die Abfrage von Systemverständnis und systematischem Denken konzentriert werden müssen.»
Und Aresu ergänzt: «KI sollte möglichst unsichtbar im Hintergrund arbeiten und Lehrenden mehr Zeit für die individuelle Betreuung verschaffen. Die Studierenden lernen KI als Werkzeug für lebenslanges Lernen zu nutzen und entwickeln gleichzeitig die kritischen Denkfähigkeiten, die sie zu kompetenten und verantwortungsvollen Fach- und Führungskräften machen.»
Am Ende steht für die ibW fest: KI ist kein vorübergehender Trend, sondern ein integraler Bestandteil der Bildungszukunft. Die Herausforderung liegt darin, Chancen und Risiken so auszubalancieren, dass Qualität, Glaubwürdigkeit und Menschlichkeit erhalten bleiben.